Silikonadditive, oft auch kurz „Silikone“ genannt, lassen sich einsetzen, ohne dass man die zugrundeliegende Chemie kennen muss. Es ist aber hilfreich, sich ein paar Grundlagen der Silikonchemie zu vergegenwärtigen, da sich dann die Vielzahl der Additive übersichtlich gruppieren lässt und es auch möglich ist, eine Verbindung zwischen bestimmten Strukturmerkmalen und den Eigenschaften abzuleiten.
Alle Silikonadditive leiten sich von der Grundstruktur der Polydimethylsiloxane ab (Abbildung).
Durch Variation der Kettenlänge ergeben sich Produkte mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften. Während die kurzkettigen Silikone relativ verträglich in Lacksystemen sind und die typischen Silikoneigenschaften, wie niedrige Oberflächenspannung, aufweisen, sind die langkettigen Moleküle sehr unverträglich und führen ganz definiert zu Kratern (Hammerschlageffekt). Solche reinen Polydimethylsiloxane (sog. Silikonöle) werden heute kaum noch in Lacken eingesetzt.
Eine elegantere Methode, als über die Kettenlänge die Verträglichkeit zu steuern, besteht darin, die Silikon-Grundstruktur durch den Einbau von Seitenketten zu modifizieren.
Die meisten heute in Beschichtungen eingesetzten Silikonadditive sind solche „organisch modifizierten Polysiloxane“. In den allermeisten Fällen handelt es sich bei der Modifizierung um Polyetherketten (Abbildung), die dazu führen, dass die Verträglichkeit verbessert wird. Über die Anzahl dieser Seitenketten (d.h. Verhältnis Dimethylsiloxaneinheiten zu Polyethermodifizierungen (x;y)) lässt sich der Grad der Verträglichkeit steuern. Gleichzeitig hat dies auch Einfluss auf die Oberflächenspannung: Je mehr Dimethylsiloxaneinheiten vorhanden sind, umso niedriger ist in der Regel die Oberflächenspannung. Weiterhin kann die Struktur der Polyetherketten selbst noch variiert werden; als wesentlicher Faktor ist hier die Polarität zu nennen.
Die Polyether sind aus Ethylenoxid-Einheiten (EO) und/oder Propylenoxid-Einheiten (PO) aufgebaut. Polyethylenoxid ist sehr hydrophil (polar), Polypropylenoxid dagegen hydrophob (unpolar).
Über das Verhältnis EO/PO lässt sich somit die Polarität des gesamten Silikonadditivs steuern: Hoher Anteil an EO erhöht die Polarität und das Additiv wird wasserlöslich und besser verträglich in polaren Lacksystemen. Gleichzeitig nimmt allerdings auch die Tendenz zur Schaumstabilisierung zu. Hoher PO-Anteil andererseits verringert die Wasserlöslichkeit und verstärkt die entschäumenden Eigenschaften.
Bei der Synthese von „Silikonmakromeren“ (siehe Abbildung) kann die Kettenlänge des Silikonblocks sehr genau eingestellt werden. Über die funktionelle Gruppe, die beispielsweise eine Amino-, Methacryl-, Vinyl- oder Hydroxyl-Gruppe sein kann, können diese speziellen Bausteine zu Wirksubstanzen mit definierter Struktur weiter umgesetzt werden. Die so erhaltenen Additive zeichnen sich durch maßgeschneiderte Eigenschaften aus.
Eine andere Möglichkeit, die Silikonstruktur zu verändern besteht darin, eine Methylgruppe der Dimethyl-Strukturen durch längere Alkylketten zu ersetzen. Man erhält dann Polymethylalkylsiloxane (Abbildung). Solche Produkte weisen im Vergleich zu den Polydimethylsiloxanen deutlich höhere Oberflächenspannungen auf und haben einen geringeren Einfluss auf die Oberflächenglätte. Derartige Silikone finden sich oft als Wirksubstanz in Entschäumern. Genau wie die Polydimethylsiloxane lassen sich auch die Polymethylalkylsiloxane mit Polyetherketten organisch modifizieren. Entsprechende Silikonadditive weisen neben den bekannten Silikoneigenschaften auch leicht entschäumende Eigenschaften auf.
Polyethermodifizierte Polysiloxane sind bis etwa 150 °C temperaturstabil, bei höheren Temperaturen werden die Polyetherketten abgebaut. Das bedeutet, dass durch Einsatz anderer modifizierender Gruppen anstelle der Polyether sich auch thermostabile Produkte herstellen lassen. In Frage kommen hier Polyester- und Aralkylgruppen (Abbildung). Entsprechend modifizierte Polysiloxane sind bis etwa 220 °C thermostabil und so auch bei höheren Einbrenntemperaturen einzusetzen.
In der Regel sind Silikonadditive nicht reaktiv, d.h. sie greifen nicht in die Vernetzungsreaktion des Bindemittels ein. Für spezielle Anwendungen kann es aber wünschenswert sein, dass das Silikonadditiv mit in das Bindemittelgerüst eingebaut wird. Für diese Zwecke stehen reaktive Silikonadditive zur Verfügung. Solche Produkte weisen am Ende der organischen Modifizierungen funktionelle Gruppen, wie primäre OH-Gruppen (zur Reaktion mit Isocyanaten) oder Doppelbindungen (für UV-vernetzende Systeme), auf.
Silikontenside stellen chemisch gesehen polyether-modifizierte Dimethylsiloxane dar. Allerdings ist das Molekulargewicht hier sehr viel niedriger als bei den üblichen Silikonadditiven. Die Siloxankette besteht nur aus wenigen Si-O-Einheiten und enthält im Durchschnitt auch nur etwa eine Polyetherkette. Aus diesem Grunde haben wir es hier mit einer deutlich ausgeprägten Tensidstruktur polar/unpolar zu tun und solche Produkte erniedrigen in wässrigen Systemen besonders stark die Oberflächenspannung, ohne aber gleichzeitig die Gleitfähigkeit der Beschichtung zu erhöhen. Wird eine höhere Gleitfähigkeit gewünscht, so können die Silikontenside problemlos mit anderen für wässrige Systeme geeigneten Silikonadditiven kombiniert werden.
Gegenüber den Fluortensiden, die ebenfalls häufig eingesetzt werden, wenn in Wasserlacken niedrige Oberflächenspannungen gefordert werden, haben die Silikontenside den Vorteil, dass sie die Schaumneigung des Lacksystems praktisch nicht erhöhen.