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Sterische Stabilisierung

Statt mit elektrischen Ladungen lässt sich auch durch auf der Oberfläche adsorbierte Polymerschichten ein Abstoßungspotential zwischen dispergierten Partikeln aufbauen. Jedes Teilchen ist von einer Hülle aus solvatisierten Polymermolekülen umgeben und bei Annäherung zweier Teilchen überlappen und durchdringen sich diese Polymerhüllen.

Dadurch erhöht sich im Überlappungsbereich die Polymerkonzentration und durch den osmotischen Druck wird Lösemittel in diesen Bereich transportiert, das die Teilchen auf diese Weise wieder auseinander drängt. Außerdem werden im Überlappungsbereich die Polymermoleküle in ihrer Konformation eingeschränkt, was eine Reduzierung der Entropie bedeutet und sich deswegen ebenfalls als Abstoßungspotential darstellt. Je nach System ist neben dem entropischen auch noch ein enthalpischer Beitrag zur Stabilisierung möglich.

Gibbs-Helmholtz-Gleichung

Gibbs-Helmholtz-Gleichung

Um Flockulation zu verhindern, muss die freie Energie ΔGF dieses Vorganges positiv sein. Wenn sowohl ΔHF als auch ΔSF negativ sind, der Betrag des Entropieterms aber größer als der des Enthalpieterms ist, ergibt sich ein positiver Wert für ΔGF und wir haben den Fall der entropischen Stabilisierung. Ist ΔHF positiv so ist das System erst recht stabil und in diesem Fall haben wir auch einen enthalpischen Beitrag zur Stabilisierung.

Geeignete Additive weisen generell zwei typische Strukturmerkmale auf: zum einen enthalten solche Produkte eine oder mehrere sogenannte pigmentaffine Gruppen (Ankergruppen, Haftgruppen), die für eine feste und möglichst dauerhafte Adsorption auf der Pigmentoberfläche verantwortlich sind. Das zweite charakteristische Merkmal sind die bindemittelverträglichen Ketten, die nach der Adsorption des Additivs auf der Pigmentoberfläche möglichst weit vom Pigment abstehen und in die umgebende Bindemittellösung hineinreichen sollen.

Diese Schicht adsorbierter Additivmoleküle mit den herausstehenden Polymerketten bewirkt nun den oben beschriebenen Stabilisierungseffekt und damit die Deflockulation der Pigmente. Der Effekt wird noch dadurch verstärkt, dass die Polymere des Lackbindemittels mit den Polymersegmenten des Additivs in Wechselwirkung treten und die Adsorptionsschicht verstärken können.

Pigmente mit adsorbierten Additivmolekülen.

Pigmente mit adsorbierten Additivmolekülen. Bei Annäherung der Pigmentteilchen durchdringen sich die Polymersegmente und es kommt zur sterischen Stabiliserung.

Durch ihre spezifische Struktur aus pigmentaffinen Gruppen (polar) und bindemittelverträglichen Ketten (weniger polar) haben diese Additive auch deutliche Tensideigenschaften, d.h. neben ihrer Eigenschaft die Pigmentdispersion durch sterische Hinderung zu stabilisieren, wirken sie über ihre Tensidstruktur auch als Netzadditiv. Eine zusätzliche Dosierung von speziellen Netzadditiven ist also beim Einsatz dieser Netz- und Dispergieradditive nicht notwendig.

Für eine wirksame Stabilisierung sollte die Additivhülle um die Pigmentteilchen möglichst dick sein, eine Dicke über ca. 10 nm wird im Allgemeinen als ausreichend angesehen. Das bedeutet, dass die Polymersegmente der Additive möglichst gut solvatisiert sein müssen, d.h. sie müssen eine gute Verträglichkeit mit der umgebenden Bindemittellösung aufweisen. Bei schlechter Verträglichkeit falten sich die Polymersegmente zusammen und liegen dann dicht auf der Pigmentoberfläche: die Stabilisierung gegen Flockulation ist dann äußerst gering. Bei der Additivauswahl für ein bestimmtes System kommt also der Verträglichkeit zwischen dem Additiv und dem Bindemittel große Bedeutung zu.

Der Mechanismus der sterischen Stabilisierung ist sowohl in wässrigen als auch in nicht-wässrigen Systemen einsetzbar; die Additive müssen natürlich in ihrer Verträglichkeit entsprechend eingestellt sein. Während die elektrostatische Stabilisierung praktisch nur in wässrigen Systemen funktioniert, gilt diese Einschränkung also bei der sterischen Stabilisierung nicht.