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Deflockulierende Netz- und Dispergieradditive

Niedermolekulare Polymere

Seit langer Zeit sind Netz- und Dispergieradditive verfügbar, häufig auf Fettsäurechemie-Basis, die pro Molekül eine Haftgruppe (anionisch, kationisch, nicht-ionogen) aufweisen und die als niedrigmolekulare Polymere eingestuft werden können. Sie wirken deflockulierend und haben sich insbesondere zur Stabilisierung anorganischer Pigmente bewährt und sind auch heute noch im Einsatz. Zu dieser Gruppe gehört z.B. das lang bewährte ANTI‑TERRA‑U, das immer noch viel verwendet wird. Neuere Entwicklungen wie DISPERBYK‑107 oder DISPERBYK‑108 tragen heutigen Anforderungen Rechnung und sind aromatenfrei oder ganz lösemittelfrei. Zur Stabilisierung von Titandioxid und anorganischen Pigmenten im Automobilbereich und in Industrielacksystemen werden Produkte wie DISPERBYK‑111 oder DISPERBYK‑180 eingesetzt.

Wenn es aber darum geht organische Pigmente (oder auch feinteilige Ruße) gegen Flockulation zu stabilisieren, so zeigen diese Additive deutliche Schwächen. Für die Wirksamkeit der Additive ist die feste und dauerhafte Adsorption auf der Pigmentoberfläche äußerst wichtig, da sich nur so eine stabile Schutzhülle ausbilden kann. Anorganische Pigmente sind ionisch aufgebaut und weisen von daher relativ große Polaritäten an ihrer Oberfläche auf, was den Additiven eine Adsorption vergleichsweise einfach macht. Organische Pigmente zeigen einen gänzlich anderen Aufbau. Die Pigmentkristalle sind hier aus einzelnen Molekülen aufgebaut, die zudem noch überwiegend unpolar sind und über zwischenmolekulare Kräfte zusammengehalten werden. Die organischen Pigmente haben daher eine sehr unpolare Oberfläche und machen so den konventionellen Additiven eine gute Adsorption recht schwer. Die Dispergieradditive lösen sich aufgrund der geringen Wechselwirkungskräfte zwischen den Haftgruppen und der Pigmentoberfläche sehr leicht wieder von dieser ab und es kommt keine stabile Schutzhülle um das Pigmentteilchen zustande. Für die Praxis heißt das, dass sich organische Pigmente in vielen Fällen mit den niedermolekularen Netz- und Dispergieradditiven nur unzureichend deflockulieren und stabilisieren lassen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass gerade die feinteiligen organischen Pigmente stärker zur Flockulation neigen als die grobteiligeren anorganischen. Da außerdem die gesamte Pigmentoberfläche mit Additivmolekülen belegt sein muss und die organischen Pigmente wegen ihrer kleineren Teilchengröße eine größere spezifische Oberfläche aufweisen, sind also auch deutlich höhere Additivdosierungen notwendig. Hohe Additivmengen können sich negativ auf die Lackfilmeigenschaften (z.B. Härte, Wasserbeständigkeit) auswirken.

 

Niedermolekulares Netz- und Dispergieradditiv

Niedermolekulares Netz- und Dispergieradditiv

Hochmolekulare Polymere

Hochmolekulare Polymere

Polymeres Netz- und Dispergieradditiv: eine Vielzahl von Ankergruppen sorgt für gute Adsorption auch auf wenig polaren Pigmentoberflächen, z.B. bei organischen Pigmenten. Die gut solvatisierten und von der Pimentoberfläche abstehenden Polymersegmente führen zur sterischen Stabilisierung der Pigmente.

Aus den unterschiedlichsten Gründen wurden in der Vergangenheit zunehmend mehr organische Pigmente verwendet (z.B. für schwermetallfreie, brillantere Farbtöne) und dieser Trend hat zur Entwicklung einer neuen Gruppe von Additiven geführt: den polymeren Netz- und Dispergieradditiven. Sie unterscheiden sich vor allem durch zwei Strukturmerkmale von den konventionellen, niedermolekularen Produkten: sie weisen zum einen eine deutlich höhere Molekularmasse auf und erreichen dadurch einen bindemittelähnlichen Charakter. Doch das ist nur ein Nebeneffekt, wichtiger ist, dass diese Additive eine sehr viel größere Anzahl von Haftgruppen enthalten. Um diese vielen Haftgruppen in einem Additivmolekül unterzubringen, muss das Molekül vergrössert werden. Auch wenn die Adsorption einer Haftgruppe auf der Pigmentoberfläche nur schwach ist, wird durch die große Anzahl der Kontaktstellen zwischen Additiv und Pigment doch eine stabile, dauerhafte Adsorption auch auf organischen Pigmenten erreicht. Ihre stabilisierende Wirkung entfalten diese Additive – genau wie die konventionellen Produkte – über sterische Hinderung durch in die Bindemittellösung ragende Polymersegmente.

Eine optimale Stabilisierung ist nur möglich, wenn diese Polymerketten wirklich gut entknäuelt vorliegen, d.h. wenn sie mit der umgebenden Polymerlösung gut verträglich sind. Ist diese Verträglichkeit eingeschränkt, so werden sich die Polymerketten zusammenfalten und die sterische Hinderung und somit die Stabilisierung geht verloren. Die Verträglichkeit der hochpolymeren Additive mit den unterschiedlichen Lackbindemitteln ist wesentlich eingeschränkter, als die der niedermolekularen. Aus diesem Grund steht hier eine ganze Reihe von chemisch ähnlichen Additiven, abgestuft hinsichtlich Molekulargewicht, Polarität und Verträglichkeit zur Verfügung.

Segmente mit Haftgruppen und bindemittelverträgliche Segmente in Form von Polymerschlaufen und -ketten können in vielfältiger Weise miteinander kombiniert werden. Statistische Block- und Pfropf-Copolymere haben sich bereits in der Praxis bewährt. Für eine gute sterische Stabilisierung der deflockulierten Pigmente sind viele Faktoren wichtig. Neben der Polymerarchitektur spielen hier auch die Molekularmasse und die Molekularmassenverteilung eine große Rolle.

Unterschiedliche Kombinationen von Segmenten mit Haftgruppen und bindemittelverträglichen Seitenketten sind bei polymeren Netz- und Dispergieradditiven möglich.

Unterschiedliche Kombinationen von Segmenten mit Haftgruppen und bindemittelverträglichen Seitenketten sind bei polymeren Netz- und Dispergieradditiven möglich.

Die hochmolekularen Netz- und Dispergieradditive wurden zwar speziell für organische Pigmente entwickelt, sie sind aber genau so gut auch für anorganische Pigmente geeignet und insbesondere auch zur Stabilisierung von Pigmentmischungen.

Wesentliche Additive in dieser Gruppe sind DISPERBYK‑161 für hochwertige Industrielacke, wie etwa Autolacke und DISPERBYK‑2163 oder DISPERBYK‑2164 (aromatenfrei) für allgemeine Industrieanwendungen. Diese Additive enthalten kationische Ankergruppen, die in Ausnahmefällen mit sauren Bestandteilen der Lackrezeptur (z.B. Säurekatalysatoren in Coil Coatings) reagieren können. In solchen Fällen empfehlen wir Produkte wie DISPERBYK‑170 oder DISPERBYK‑174, die durch eine andere Haftgruppenchemie diese Probleme umgehen. Es existieren darüber hinaus moderne verzweigte Strukturen mit sterisch gehinderten kationischen Haftgruppen (DISPERBYK‑2155) oder komplexe Kern-Schale Polymere, bei denen der pigmentaffine Block eingekapselt vorliegt (DISPERBYK‑2152). Dadurch wird die Reaktivität der Additive gegenüber den Lacksystemen auf ein Minimum zu reduzieren, bei gleichbleibender Effektivität in der Stabilisierung von anorganischen und organischen Pigmenten sowie Rußen.

Wässrige Lacksysteme

In wässrigen Systemen, die auf Bindemittelemulsionen basieren und überwiegend für Dispersionsfarben und -putze im Bereich Maler- und Bautenlacke zum Einsatz kommen, werden die Pigmente überwiegend durch elektrostatische Abstoßung stabilisiert. Ammoniumsalze von Polycarbonsäuren (wie BYK‑154) werden in der Praxis häufig eingesetzt.

Wässrige Systeme, die auf wasserlöslichen Bindemitteln basieren oder Kombination von solchen Bindemitteln mit Bindemittelemulsionen sind (Hybridsysteme), können prinzipiell ebenfalls elektrostatische Effekte zur Pigmentstabilisierung nutzen. In der Praxis wird jedoch die sterische Stabilisierung mit polymeren Netz- und Dispergieradditiven häufig bevorzugt, insbesondere in höherwertigen Industrielacken. Der Mechanismus funktioniert hier genau wie in lösemittelhaltigen Systemen, Voraussetzung ist nur eine höhere Polarität der Additive, um eine ausreichende Verträglichkeit in der wässrigen Umgebung zu gewährleisten. Wasserlöslichkeit ist nicht unbedingt anzustreben, da eine zu hohe Polarität ungünstig für die Lackfilmbeständigkeiten (Wasserfestigkeit) sein kann. Typische Produkte dieser Additivgruppe sind DISPERBYK‑184, DISPERBYK‑190 sowie DISPERBYK‑194 N.